
Rückwärtsgang statt Verkehrswende: GRÜNE wehren sich gegen vier verkehrspolitische Vorstösse
In der Sommersession des Kantonsrats greifen mehrere rechtsbürgerliche Vorstösse die kommunale Verkehrspolitik frontal an, besonders jene der Stadt St.Gallen. Die SVP, teils mit Unterstützung von FDP und Mitte-EVP, will der Stadt Kompetenzen entziehen und den motorisierten Verkehr bevorzugen. Die GRÜNEN lehnen diese rückwärtsgewandte Verkehrspolitik entschieden ab.
Was unter dem Deckmantel von Effizienz und Koordination daherkommt, ist in Wahrheit ein Frontalangriff auf die kommunale Selbstbestimmung. Die rechtsbürgerlichen Vorstösse bedrohen bewährte Formen der Zusammenarbeit zwischen Gemeinden und Kanton, untergraben lokal verankerte Verkehrspolitik und blockieren den demokratisch abgestützten Wandel hin zu einer menschen- und umweltfreundlichen Mobilität. Im Fokus steht dabei insbesondere die Stadt St.Gallen.
Entmachtung der Stadt St.Gallen
Zwei der Vorstösse zielen direkt darauf ab, der Stadt St.Gallen zentrale Kompetenzen in der Verkehrspolitik zu entziehen:
Die von der SVP-Fraktion eingereichte Motion «Übernahme der Gesamtverantwortung für sämtliche Kantonsstrassen» verlangt, dass der Kanton die alleinige Verantwortung für sämtliche Kantonsstrassen übernimmt, auch auf Stadtgebiet. Damit würde die bewährte Zusammenarbeit mit dem städtischen Tiefbauamt einseitig beendet. Die Stadt würde ihren Einfluss auf Planung, Gestaltung und Umsetzung von Strassenprojekten vor der eigenen Haustür verlieren. Selbst die Regierung warnt vor Mehraufwand und lehnt den Vorstoss ab.
Auch die Motion «Anpassung der Zuständigkeiten für Verkehrsanordnungen und Signalisationen», eingereicht von SVP, FDP und Mitte-EVP, greift die kommunale Autonomie direkt an: Künftig soll allein der Kanton entscheiden, wo Tempo-30- oder Begegnungszonen mit Tempo 20 eingerichtet werden dürfen. Die Stadt St.Gallen würde damit wirksame Instrumente zur Verkehrsberuhigung entzogen, auf Kosten von Sicherheit, Lärmschutz und Lebensqualität.
Pförtneranlagen faktisch verboten
Die Motion «Keine künstlichen Leistungsreduktionen auf Kantonsstrassen» der SVP und Mitte-EVP will den Einsatz von Lichtsignalanlagen zur Verkehrslenkung, sogenannten Pförtneranlagen, stark einschränken. Künftig sollen sie nur noch in Ausnahmefällen erlaubt sein, etwa bei Kreuzungen zweier Kantonsstrassen. Damit wären sie in Städten wie St.Gallen faktisch verboten.
Mit den drei Motionen werden auch zahlreiche Verkehrsberuhigungsmassnahmen aus Agglomerationsprogrammen der Regionen im Kanton torpediert. Diese sind integrale Bestandteile von Gesamt- und Arealentwicklungen und massgebend für die positive Bewertung durch den Bund. Werden solche Massnahmen blockiert, gefährdet das die Agglomerationsprogramme als Ganzes. Mit ihrer dogmatischen Verkehrspolitik nehmen SVP, FDP und Mitte-EVP leichtfertig in Kauf, dass den Agglomerationen Bundesbeiträge in Millionenhöhe entgehen und wichtige Raumentwicklungsprojekte nicht realisiert werden können.
Demokratische Entscheide gelten auch für die Ostschweiz
Mit dem Standesbegehren «Die Ostschweiz steht hinter der dritten Röhre Rosenbergtunnel und der zweiten Röhre Fäsenstaubtunnel» fordern SVP, FDP und Mitte-EVP, dass die beiden Nationalstrassenprojekte trotz gescheiterter Volksabstimmung weiterverfolgt werden. Im November 2024 hat die Schweizer Stimmbevölkerung den Ausbauschritt 2023 für die Nationalstrassen und damit die dritte Röhre bei St.Gallen deutlich abgelehnt. Auch die Stadt St.Gallen als direkt betroffene Gemeinde votierte gegen die Vorlage. Wer diesen Entscheid ignoriert und stattdessen parlamentarischen Druck auf Bern aufbaut, stellt sich gegen den Volkswillen und macht die Ostschweiz auf nationaler Bühne lächerlich. Die GRÜNEN lehnen dieses Vorgehen entschieden ab.
Die vorliegenden Vorstösse stehen für eine rückwärtsgewandte Verkehrspolitik, die Kontrolle über Kooperation und Strassenkapazität über Lebensqualität stellt. Sie entziehen Gemeinden wie der Stadt St.Gallen Kompetenzen, schwächen die lokale Mitbestimmung und untergraben einen nationalen Volksentscheid. Die GRÜNEN setzen auf eine nachhaltige, demokratisch verankerte Mobilität mit Vorrang für Fuss-, Velo- und öffentlichen Verkehr – denn Strassenraum ist Stadt- und Lebensraum für alle. Der Kantonsrat muss diese Rückschritte stoppen und alle vier Vorstösse ablehnen.