GRÜNE fassen Abstimmungsparolen: klares Nein zum Landverkauf WILWEST
An ihrer Mitgliederversammlung vom 5. November fassten die GRÜNEN des Kantons St.Gallen die Parolen zu sieben Abstimmungsvorlagen. Besonders anspruchsvoll gestaltete sich die Meinungsbildung zum Landverkauf für das Projekt WILWEST. Es resultierte ein überraschend deutliches Nein. Die Kantonsstrasse zum See in Rorschach wird von den GRÜNEN einstimmig zur Ablehnung empfohlen.
Die Mitglieder der Grünen Kantonalpartei trafen sich am vergangenen Mittwoch in St.Gallen zu einer ausserordentlichen Versammlung mit reich befrachteter Traktandenliste. Einerseits wurden die Parolen für die Volksabstimmungen vom 30. November gefasst. Andererseits haben die GRÜNEN auch zu den kantonalen Vorlagen, welche am 8. März des kommenden Jahres zur Abstimmung gelangen, bereits Position bezogen.
Eidgenössische Abstimmungen vom 30. November
Während die GRÜNEN Schweiz die Service-Citoyen-Initiative klar ablehnen, haben inzwischen mehrere Kantonalparteien abweichende Parolen gefasst. Die GRÜNEN Kanton St.Gallen beschlossen nach einer differenziert geführten Diskussion Stimmfreigabe. Zahlreiche Anwesende bekundeten Sympathie für eine allgemeinen Dienstpflicht im Sinne der Gleichberechtigung. Hinsichtlich der konkreten Umsetzung der Initiative bestehen jedoch grosse Fragezeichen.
Auf grossmehrheitliche Zustimmung stiess die Initiative für eine Zukunft, welche eine Bundessteuer für Erbschaften ab 50 Millionen Franken fordert, um Massnahmen gegen den Klimawandel zu finanzieren. Die zunehmende Vermögenskonzentration widerspricht nicht nur dem Grundsatz der Chancengleichheit, sondern stellt auch eine Gefahr für die Demokratie dar. Da vermögende Personen die Umwelt weit überdurchschnittlich belasten, ist es gerechtfertigt, von ihnen einen grösseren Beitrag zur Finanzierung von Klimaschutzmassnahmen zu verlangen. Unerwünschte Auswirkungen der Erbschaftssteuer für Familienunternehmen können durch eine geeignete Umsetzung auf Gesetzesstufe vermieden werden.
Kantonale Abstimmungen vom 30. November
Der Sonderkredit für die Erneuerung und den Betrieb des Reinraums am Campus Buchs in der Höhe von 22 Millionen Franken wurde von den Mitgliedern kritisch hinterfragt. Es wurde moniert, dass unter dem Titel der Innovations- und Standortförderung teils leichtfertig hohe Summen ausgegeben werden. Schliesslich gelangte aber eine grosse Mehrheit zur Einschätzung, dass es sich um eine sinnvolle Investition in den Forschungsstandort Rheintal handelt. Die Ja-Parole wurde mit nur einer Gegenstimme und einigen Enthaltungen gefasst.
Nicht ganz so deutlich fiel das Ja zum Kantonsratsbeschluss über die Mietkosten der Kantonspolizei im geplanten Zollgebäude des Bundes in St.Margrethen aus. Es wurde die Frage aufgeworfen, ob ein Mietzins von 2.1 Millionen Franken pro Jahr für 50 Arbeitsplätze gerechtfertigt ist. Vorbehalte wurden auch gegenüber dem Bauprojekt geäussert, doch ist dieses nicht Gegenstand der Vorlage und wird vom Bund ohnehin realisiert. Die Mehrheit der Anwesenden zeigte sich überzeugt, dass die Zusammenführung von Kantonspolizei und Grenzwache an einem Standort unter dem Gesichtspunkt der Ressourceneffizienz zu begrüssen ist.
Kantonale Abstimmungen vom 8. März
Das Projekt WILWEST beschäftigt die GRÜNEN der Kantone St.Gallen und Thurgau seit Jahren. Nach der Ablehnung des Sonderkredits für die Arealentwicklung in der St.Galler Volksabstimmung vom 25. September 2022 haben die beiden Kantonalparteien ein gemeinsames Positionspapier veröffentlicht. Darin forderten sie eine grundlegende Überarbeitung des Projekts als Bedingung für einen Landverkauf vom Kanton St.Gallen an den Kanton Thurgau. Tatsächlich wurden die Planungen inzwischen massgeblich weiterentwickelt. Mit dem nun vorliegenden Grundstückgeschäft wollen die Kantone den Weg für die Umsetzung ebnen. Die St.Galler GRÜNEN halten es für unabdingbar, dass das Stimmvolk erneut über WILWEST befinden kann und haben deshalb im Kantonsrat das Ratsreferendum beantragt. Der Positionsbezug für oder gegen den Landverkauf wurde schon an mehreren Sitzungen und Versammlungen kontrovers diskutiert. Mit überraschend deutlicher Mehrheit fasste die Mitgliederversammlung nun die Nein-Parole. Zwar kann die vorgesehene Gestaltung des Areals WILWEST durchaus als ökologisch vorbildlich bezeichnet werden. Was die Einbettung in die regionale Raum- und Verkehrsplanung betrifft, kann jedoch weiterhin nicht von einem nachhaltigen Projekt gesprochen werden. Insbesondere in der Stadt Wil besteht ein grosses Potenzial, Arbeitsplatzgebiete für Dienstleistungsbetriebe innerhalb des bestehenden Siedlungsraumes zu schaffen. Solange dieses Verdichtungspotenzial nicht ausgeschöpft ist, können die GRÜNEN einer grossflächigen Einzonung von Kulturland nicht zustimmen. Die versprochene Kompensation von Fruchtfolgeflächen dürfte kaum umsetzbar sein und letztlich eine Augenwischerei darstellen. Grosse Bedenken bestehen nach wie vor auch bezüglich der geplanten Strasseninfrastrukturen. Ein wirksamer Schutz der Stadt Wil vor einer weiteren Verkehrszunahme ist nicht sichergestellt. Gesamthaft sind die im Positionspapier formulierten Anforderungen nicht in genügendem Mass erfüllt und eine Ablehnung des Landverkaufs erscheint daher konsequent.
Zum Kantonsratsbeschluss über den Neubau des Berufs- und Weiterbildungszentrums Rapperswil-Jona beschloss die Mitgliederversammlung diskussionslos und ohne Gegenstimme die Ja-Parole. Der Bedarf nach einem Neubau ist ausgewiesen. Die heutige Mietlösung entspricht nicht den räumlichen Anforderungen an eine attraktive Bildungsinstitution. Die Vorlage war auch im Kantonsrat unbestritten.
Ebenfalls diskussionslos und einstimmig wurde die Nein-Parole zum Kantonsratsbeschluss über den Bau der Kantonsstrasse zum See in Rorschach gefasst. Die GRÜNEN waren am Referendum gegen das Strassenbauvorhaben federführend beteiligt. Die geplante neue Kantonsstrasse mit Autobahnanschluss ist einseitig auf die Interessen des motorisierten Verkehrs ausgelegt und würde dessen weitere Zunahme begünstigen. Zudem ginge auch durch dieses Projekt wertvolles Kulturland verloren. Mit Gesamtkosten von rund 330 Millionen Franken stellt das Vorhaben eine gigantische Fehlinvestition dar. Eine zukunftsgerichtete Verkehrsplanung in einem urbanen Raum wie Rorschach müsste den Fokus auf die Förderung des ÖV sowie des Fuss- und Veloverkehrs richten.