Offenes Mikrofon für Frauen im St.Galler Kantonsrat
Aus Anlass des Frauenstimmrechts-Jubiläums schlagen drei Kantonsrätinnen der GRÜNEN vor, dass während eines Sessionshalbtages nur die Frauen im Parlament sprechen sollen. Sie fragen das Ratspräsidium deshalb an, ob es bereit ist, eine entsprechende, freiwillige Vereinbarung unter den Fraktionen zu initiieren.
Am 7. Februar 2021 wurde das Jubiläum 50 Jahre Frauenstimmrecht begangen. Das ganze Jahr über finden landesweit Veranstaltungen zu diesem Jubiläum statt. Der Kanton St.Gallen hat das Frauenstimmrecht im Jahr 1971 als einer der wenigen Kantone nicht angenommen. Für viele Frauen ist das Jubiläum nur bedingt ein Grund zum Feiern, sondern vielmehr ein Grund, sich Gedanken über die Gleichstellung der Geschlechter und das bisher Erreichte zu machen.
Im Jahr 1972, als sich erstmals Frauen in den damals 180-köpfigen Kantonsrat wählen lassen konnten, wurden 11 Frauen und 169 Männer gewählt. Heute, 49 Jahre später, sitzen dreimal mehr Frauen im verkleinerten 120-köpfigen Rat. 32 Frauen und 88 Männer debattieren und entscheiden in der St.Galler Legislative. Das ist ein Fortschritt, aber das Ungleichgewicht ist auch nach zwei Generationen noch sehr gross.
Um auf diesen Umstand aufmerksam zu machen, haben die grünen Kantonsrätinnen Margot Benz (St.Gallen), Jeannette Losa (Mörschwil) und Tanja Zschokke (Rapperswil-Jona) eine Interpellation zuhanden des Ratspräsidiums eingereicht. Sie fordern, dass die Kantonsrätinnen im Jubiläumsjahr des Frauenstimmrechts eine besondere Plattform erhalten. An einem Halbtag während der Septembersession sollen sich nur Frauen an der Debatte beteiligen. «Das Ziel dieses besonderen Halbtages ist es, den Kantonsrätinnen für einmal das Mikrofon zu überlassen, um die Frauen, die immer noch in der Minderzahl sind, gegen aussen stärker sichtbar zu machen. So können sie ihre Vorbildfunktion für die nächste Generation wahrnehmen», sagt Tanja Zschokke. Jeannette Losa ergänzt: «Es trifft sich gut, dass im September mit grosser Wahrscheinlichkeit eine Frau den Kantonsrat präsidieren wird».
Gemäss Geschäftsreglement des Kantonsrates haben alle Mitglieder das Recht, sich an der Diskussion zu beteiligen. Die Interpellantinnen betonen, dass sie diesen Grundsatz nicht in Frage stellen. «Wir wollen den Männern im Rat nicht das Wort verbieten. Ein Sessionshalbtag, an dem nur Frauen an das Mikrofon treten dürfen, bedingt eine entsprechende, freiwillige Vereinbarung unter den Fraktionen», erklärt Margot Benz. Die grünen Kantonsrätinnen gehen davon aus, dass die grosse Mehrheit der Parlamentarier sich bereit erklären wird, auf freiwilliger Basis während eines halben Tages auf Wortmeldungen zu verzichten und den Frauen den Vortritt zu lassen.