St.Galler Regierung bestätigt: Verhüllungsverbot bleibt toter Buchstabe
Am kommenden Wochenende findet die eidgenössische Volksabstimmung über die Initiative «Ja zum Verhüllungsverbot» statt. Wie die öffentliche Debatte zeigt, verfolgen die Initianten primär die Absicht, die Vollverschleierung mit «Burkas» oder «Nikabs», wie sie in einigen islamischen Ländern Tradition ist, auf Verfassungsstufe zu verbieten. Die Initiative steht damit im Verdacht, mehr auf islamfeindliche Symbolpolitik als auf die Lösung realer Probleme abzuzielen. Demgegenüber betonen die Initianten, dass ihre Bestrebungen auch gegen «vermummte Chaoten und Fussball-Hooligans» gerichtet seien.
Im Kanton St.Gallen gilt bereits seit 2019 ein Verhüllungsverbot. Gemäss Übertretungsstrafgesetz wird gebüsst, wer sich an öffentlich zugänglichen Orten durch Verhüllung des Gesichts unkenntlich macht und dadurch die öffentliche Sicherheit oder den religiösen oder gesellschaftlichen Frieden bedroht oder gefährdet.
Anfang Februar berichteten verschiedene regionale und nationale Medien, dass im Kanton St.Gallen noch keine einzige Frau wegen Verstosses gegen das Gesichtsverhüllungsverbot gebüsst worden sei. Die GRÜNEN haben daraufhin eine Einfache Anfrage im Kantonsrat eingereicht und der Regierung differenzierte Fragen zur Anwendbarkeit der Strafnorm gestellt. Die nun vorliegende Antwort bestätigt, dass die Bestimmung absolut wirkungslos ist: Weder für religiös motivierte noch für sonstige Gesichtsverhüllungen wurde jemals eine Busse ausgesprochen. Nicht einmal entsprechende Strafanzeigen waren zu verzeichnen, sodass auch kein einziges Strafverfahren eröffnet wurde.
Wie die Regierung weiter ausführt, wird allein durch die Verhüllung des Gesichts kein konkretes Rechtsgut unmittelbar bedroht oder gefährdet. Somit kann sich der Kausalzusammenhang, wie er im gesetzlichen Tatbestand formuliert ist, schon aus Gründen der Logik nicht verwirklichen. Die GRÜNEN sehen ihren Verdacht bestätigt, dass es sich beim St.Galler Verhüllungsverbot um eine rein symbolische Gesetzgebung und nicht um eine funktionale Rechtsnorm handelt. Dies wirft ein schiefes Licht auf die politischen Motive der Urheberinnen und Urheber solcher Verbote: Der Schutz der öffentlichen Sicherheit ist offensichtlich nur ein Vorwand. Im Hinblick auf die bevorstehende Volksabstimmung warnen die GRÜNEN eindringlich davor, Verfassung und Gesetze für fremdenfeindliche Symbolpolitik und Stimmungsmache zu missbrauchen.